Samstag, 23. Juni 2012

Der Lüstling aus der Salzmine

Gestern war es so weit. Nachdem unser Aufenthalt hier nahezu vorbei ist, haben wir endlich einmal die Zeit gefunden, um nach Wieliczka zu fahren. Wieliczka ist die älteste noch aktive Salzmine die ist gibt, wenn man unserem Przewodnik/ Führer Krzystof glauben darf. Seit über 700 Jahren wird dort Salz abgebaut um die exorbitanten Salz Gelüste der Polen zu decken. Doch beginnen wir am Anfang, der Busfahrt. Natürlich musste sich ein junger Mann neben mich setzen, der  - scheinbar -  etwas Schlaf nachzuholen hatte. Wenn er nicht also halbwegs auf mich fiel, neigte er im wörtlichen Sinne dazu vom Stuhl zu fallen. Das ganze erschien mir doch ungewöhnlich und nach einer gewissen Zeit merkte ich, dass der Junge einfach voll war. Es war 2 Uhr. Nach einer heiteren Busfahrt mit der Linie 304, stiegen wir an der entsprechenden Haltestelle aus. Es war ca. 2:30 Uhr als uns zwei joviale Clochards entgegenkamen. Der eine nickte uns freundlich zu und wünschte uns ein Dzien dobry!/ Guten Tag! der zweite hielt eine Flasche mit 2 Liter Fassungsvolumen in beiden Händen. Der Inhalt schien mir zweifelhafter, ja selbst gebrannter höchst ungesunder Natur zu sein. Der Clochard umfasste besagtes Gefäß wie eine Art Monstranz und rief fröhlich:
To jest swiety puchar szczęścia  / Das ist der heilige Gral des Glücks


Warum denn auch nicht? Ich beglückwünschte beide zu ihrem Gral und wir setzten unseren Weg fort.
In der Salzmine angekommen, darf man einen recht happigen Preis von 35 zloty ( als Student ) berappen. Ferner sind weitere 10 zloty fällig, wenn man photographieren möchte. Da Olek eine Art wandelnder Photoapparat ist, mussten wir natürlich die 10 zloty bezahlen. Mittlerweile vermute ich irgendwo eine leicht asiatische Ader bei ihr... Nun denn, um nach unten zu kommen, muss man vorerst über 60 Meter per Treppe hinab steigen. Als absolute Touristen sind wir natürlich direkt hinter unserem Führer Krzystof hergegangen.Nach ca. 30 Höhenmetern vernahm ich den recht starken Geruch einer Flatulenz. Sofort hatte ich natürlich Olek in Verdacht, doch auch sie schien etwas verwirrt. Krzystof hatte scheinbar einen zum besten gegeben. Doch was passiert, wenn man das in einem Schacht tut? Er zieht komplett durch und hält sich entsprechend. So das jeder den Duft des Sommers erhaschen konnte. Wahrscheinlich dachten die anderen Teilnehmer der Führung, dass ich der Übeltäter gewesen bin. 
Eines vorab, die über zwei stündige Führung lohnt sich und ebenfalls die entsprechende Gebühr für das Photographieren. Jedoch ist mir aufgefallen, das Krzystof ein regelrechter Wüstling ist. Es verging kein Vortrag in dem er nicht darauf hingewiesen hat, dass es in irgendeiner Art und Weise Glück bringt, wenn man seinen Przewodnik anfasst oder ihm ein Küsschen gibt. Freilich hat er es offen gelassen, ob er sich dieses Verhalten nur von den weiblichen Teilnehmern wünscht.

Sonntag, 10. Juni 2012

Und ehe der Hahn drei mal kräht....

...werde ich drei mal leugnen mehr oder weniger Deutscher zu sein.
Was war passiert? Gestern beim Spiel Deutschland gegen Portugal, saßen Paul aus Singapur, irgendein Engländer und ich am Tresen. Wie es der Zufall so will haben wir reichlich gezecht und auch ein paar nette Leute kennengelernt. Ein paar aus Australien, einen Inder ( ich glaube er war heimlich Pakistaner ) und einen anderen Engländer. Wir saßen nett zusammen, tranken und hatten jede menge Spaß. Bis ja..nennen wir ihn doch einfach Horst ankam. Horst seines Zeichens adrett gekleidet im Deutschlandtrikot samt passendem Mützchen. Seine Englischkenntnisse überzeugten uns sogleich von seiner exorbitanten Bildung, was ihn aber nicht davon abhielt sich aufzuführen, als ob ein indischer Hofstaat sein Eigen wäre.
Horst hatte zudem diese wunderbar deutsche Aussprache, die graphemisch in etwa so aussehen müsste:

Werr arr ju fromm? Eim fromm Germani. Werry gooddd bier zer!
Ent ju? werr arr ju fromm?
Ich: Öhhmm....Poland!

Es fühlte sich eigenartig an, denn normalerweise antworte ich auf die Frage immer ehrlich. Ich wollte aber nicht mit diesem Horst und den anderen Freunden des guten Benehmens - die sich gerade in der Bar aufhielten - in einen Topf geworfen werden. Eigentlich wäre mir das sogar egal gewesen, was mich wirklich stört ist wie der Durchschnitts-Deutsche reagiert wenn er in einem fremden Land andere Deutsche trifft.
Meistens so:

"Seid ihr auch Deutsche? Boah super! Los wir rotten uns zusammen und hängen den ganzen Tag aufeinander rum, damit wir bloß nichts neues kennen lernen müssen."

Natürlich handelt es sich hier um absolute Klischees, aber diese kommen nicht von irgendwoher.
Ausnahmen wie meine gute Freundin Karin und ihr Mann oder Dieter sind eher seltener anzutreffen. Gerade wenn es um Polen geht.

Donnerstag, 7. Juni 2012

Der Deutsche in Polen, der als Pole nach Deutschland kam

Als Deutscher hat man es in Polen scheinbar nicht sehr leicht. Ich glaube, dass viele der deutschen Austauschstudenten wirklich erstaunt darüber waren, wie es in Polen wirklich aussieht. Nicht nur dass nicht alle Männer Schnurrbart und Lederjacke tragen, nein auch fließendes Wasser und funktionierende Heizungen müssen die Deutschen geschockt haben. Ein Bekannter von mir denkt, dass ihm immer und überall ständiger Rassismus bzw. Hass gegen Deutsche entgegen schlägt, weil ihn angeblich so gut wie kein Pole leiden kann. Selbstverständlich muss es daran liegen, dass er Deutscher ist! Auf die Idee, dass es vielleicht an ihm als Person, oder aber an seiner unglaublichen Ähnlichkeit zu Adolf Eichmann liegen könnte, kommt man nicht.
Andere Austauschstudenten behaupten hingegen das Gegenteil, sie wurden warm und herzlich empfangen.
Doch was stimmt nun bzw. gibt es die eine Wahrheit oder Einstellung über die Deutschen in Polen?
Ich denke nicht.
Ein Dozent sagte zu mir, dass man im Kommunismus noch dazu erzogen wurde die Deutschen nicht zu mögen. Vieles blieb davon hängen und basiert teilweise noch auf veralteten Vorstellungen, wie in etwa, dass in Deutschland noch Milch und Honig fließen. Ferner kannte man bis vor den 1990er Jahren kaum Deutsche.

Die meisten Studenten waren doch sehr erstaunt, als sie erfahren haben, dass nicht alle Menschen in Deutschland reich sind, BMW fahren und mit Geld um sich schmeißen. Ferner war man erstaunt, dass man in Deutschland ebenfalls mit großen Problemen zu kämpfen hat und sogar arbeiten muss. Es ist vielen einfach nicht bewusst. Die Deutschen bleiben halt so etwas, wie irgendeine entfernte reiche Tante, die einmal im Jahr zu besuch kommt und uns viel Geld gibt. Wer die Tante eigentlich ist, oder wie es ihr geht, oder aber das sie vielleicht gar nicht so reich ist wie es scheint, interessiert uns erst einmal nicht.

Als Deutscher in Polen, der früher einmal -oder immer noch - der Pole in Deutschland ist, sieht die Situation ein klein wenig verzwickter aus. Jedes mal wenn ich nach Polen fahre, freue ich mich darüber Polnisch sprechen zu können. Ich freue mich auf die Menschen, dass Essen, dass es keine pathologische political correctness gibt und das überall noch eine leichte Schicht vom vergangenen Kommunismus zu spüren ist. Sprich, ich freue ich mich eigentlich auf alles was es in Deutschland nicht gibt.

Spätestens der erste Einkauf in einem Lebensmittelgeschäft ( kurz: Delikatesy ) aktiviert dann den - ich schäme mich es fast zu sagen - Deutschen in mir. Da verlangt die Frau tatsächlich von mir, dass ich ihr den Betrag passend gebe, obgleich ihre Kasse voller Kleingeld ist! Dieses Thema habe ich bereits zur Genüge vorgestellt deswegen werde ich nicht weiter darauf eingehen. Nachdem Einkauf kommt der erste Besuch eines Restaurants. Sollte man das seltene Glück haben und ein Restaurant mit gutem Service erwischen, so tätowiere man sich bitte die Adresse auf den Arm, denn solch ein Lokal ist sehr selten in Polen.
Nahezu alle Austauschstudenten aus aller Welt bemängeln den schlechten Service hier, unfreundliche Kellner und dazu noch unfreundliche Oberkellner.
An meinem Geburtstag hatte ich ein wunderbares Beispiel für echt polnischen Service. Das Olek, Karin ihr Mann und ich waren im Paparazzi. Das ist an sich eine sehr gute Cocktail Bar - Bistro.Bis jetzt hatten wir auch immer eine freundliche Kellnerin gehabt. Ausgerechnet an meinem Geburtstag, musste uns die Dame bedienen, die wahrscheinlich mit der Kassiererin aus dem Carrefour verwandt ist. Mundwinkel also nach unten und es hat ihr ganz und gar nicht gepasst, dass ich erstmal übersetzen musste und die Bestellung etwas länger gedauert hat. Wir wollten zu Beginn etwas zu essen bestellen, hier sollte ich kurz erwähnen, dass Karin und ihr Mann Vegetarier sind und eine Pizza haben wollten. Nun ist es aber eine polnische Besonderheit, dass z.B. Peperoni ( als Belag ) auf der Karte steht, es sich dabei aber eigentlich um eine pikante Salami handelt und nicht um eine Peperoni Paprika. Deswegen fragte ich unsere freundliche Kellnerin natürlich danach, mit dem Hinweis, dass die beiden Vegetarier seien und deswegen solle kein Fleisch auf die Pizza draufkommen. Sie versicherte uns sogleich, dass es sich um das Gemüse und nicht um die Wurst handelt. Fein, trotzdem hatte ich ein ungutes Gefühl bei der ganzen Geschichte. Als das Essen kam, war natürlich Salami auf den Pizzen. Die Kellnerin war auf meine Beschwerde anscheinend schon vorbereitet und noch bevor ich den Sachverhalt darlegen konnte, schmetterte sie uns überaus frech entgegen:

"Ich habe ihnen extra gesagt, dass das Wurst ist und kein Gemüse! Das ist ihr Fehler gewesen!"

Nach soviel Frechheit ist man erstmal total perplex. Nicht nur, dass sie dreist gelogen hat, sie wollte mir auch noch sagen, dass nachdem ich gesagt habe, dass meine Freunde Vegetarier sind, ich ihnen Fleisch auf die Pizza bestellt hätte.

Was macht man nun? Der Deutsche in mir - schon wieder - wollte in einen Panzer steigen und Polen einnehmen. In Deutschland hätte ich die Kellnerin so zusammengefaltet bzw. dem Chef die Meinung gesagt und sie hätte mindestens eine fette Abmahnung, wenn nicht sogar die Kündigung bekommen.
Da aber der Abend gerade begonnen hatte, saßen wir in einer Zwickmühle, wir mochten den Laden und wollten da eigentlich weiter trinken. Sollte ich jetzt zum Chef gehen und mich großartig beschweren? Wir hätten aus dem Laden gehen können, weil danach die Stimmung im Keller gewesen wäre und die Kellnerin wahrscheinlich in unsere Drinks gespuckt hätte. Generell sind solche Situation sehr schwierig, wenn man aber immer wieder nichts sagt, gewöhnen sich solche Menschen ein impertinentes Verhalten an, dass in diesem Beruf nicht zulässig sein sollte. Vielleicht liegt es wirklich daran, die meisten Menschen beschweren sich erst zuhause über den schlechten Service, so dass nachher nichts konstruktives aus der Kritik werden kann.

Ryszard Kapuscinski hatte in seinem Werk Meine Reisen mit Herodot schon über den mangelnden Service in Polen geschrieben, nur das das in den 1960er Jahren war. Beispielsweise war er ganz erstaunt, als in Rom freundlich von einer Verkäuferin begrüßt wurde, in Polen hätte man in angefahren, da er wahrscheinlich gerade einen Plausch zwischen zwei Verkäuferinnen gestört hätte. SEitdem hat sich anscheinend nicht viel verändert. Die offene Frage die am Schluss bleibt, ist das Warum? Wenn eine ältere Frau, die noch im Kommunismus gearbeitet hat, dass Wort Service nicht kennt ist das eine Sache, aber ein Mädchen von 20 Jahren?